Betriebliche Altersvorsorge gewinnt zunehmend an Bedeutung
Um branchenbedingte Ausfälle bei der gesetzlichen Rente auszugleichen und eine Ergänzung für die seit Jahren sinkende gesetzliche Rente zu bieten, gibt es für die Bauwirtschaft zwei unterschiedliche Altersvorsorgemodelle: Die überbetriebliche Rentenbeihilfe bzw. Tarifrente Bau für alle Beschäftigten der Branche und eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung mit Arbeitgeberzuschuss (BauRente). Beide Vorsorgelösungen setzt SOKA-BAU für die Bauwirtschaft um.
Das Niveau der gesetzlichen Rente sinkt seit Anfang des neuen Jahrtausends kontinuierlich. Lag das Verhältnis zwischen der Höhe der Standardrente und dem letzten Entgelt eines Durchschnittsverdieners im Jahr 2000 noch bei annähernd 53 %, könnte es bis zum Jahr 2030 auf 43 % sinken (1). Damit nimmt das deutsche Rentensystem bezüglich der Altersversorgungsfunktion innerhalb der Europäischen Union einen der letzten Plätze ein.
Beschäftigte in der Bauwirtschaft sind darüber hinaus häufiger von Arbeitsausfällen betroffen, die die gesetzlichen Rentenansprüche zusätzlich mindern. So ergeben Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2), dass eine fünfjährige Arbeitslosigkeit – über das gesamte Erwerbsleben eines Bau-Arbeitnehmers betrachtet, sicherlich eine nicht allzu selten anzutreffende Konstellation – das Gesamtversorgungsniveau netto um rund fünf Prozentpunkte mindert.
Zudem gelingt es vielen Arbeitnehmern in der Baubranche nicht, bis zur Regelaltersrente zu arbeiten. Nach Daten von SOKA-BAU lag der Anteil der Neurentner, die Erwerbsminderungsrente beziehen, in der Baubranche im vergangenen Jahr bei rund 28 % und damit zehn Prozentpunkte höher als bei westdeutschen männlichen Rentnern mit nur rund 18 % (3). Aufgrund der genannten Aspekte hat die betriebliche Altersvorsorge für Bau-Beschäftigte schon immer eine große Bedeutung und in Zukunft wird diese noch zunehmen.
Bereits 1957 in der Baubranche eingeführt
Aus diesen Gründen haben die Tarifpartner der Bauwirtschaft bereits im Jahr 1957 die für alle Betriebe obligatorische Rentenbeihilfe eingeführt. Seit Anfang 2016 wird dieses größtenteils umlagefinanzierte System aufgrund der demografischen Entwicklung schrittweise durch ein kapitalgedecktes Alterssicherungssystem, die Tarifrente Bau, abgelöst.
Mit der Tarifrente Bau werden erstmals auch die Beschäftigten der Bauwirtschaft in den neuen Bundesländern und alle Auszubildenden in die überbetriebliche Altersversorgung einbezogen. Damit ist das Ziel einer attraktiven Zusatzversorgung für die gesamte Bauwirtschaft erreicht. Die Beiträge bemessen sich bei gewerblichen Arbeitnehmern an der Bruttolohnsumme und bei Angestellten/Auszubildenden in einem Festbeitrag und werden direkt vom Arbeitgeber entrichtet. Aus jedem gezahlten Beitrag wird ein Versorgungsbaustein für die Zusatzrente gebildet.
Um das stetige Absinken der gesetzlichen Rente abzufedern, haben die Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft 2001 darüber hinaus eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung, die BauRente ZukunftPlus, auf den Weg gebracht. Die Beiträge für die BauRente werden mittels Entgeltumwandlung aus dem Bruttolohn bereitgestellt.
Verbreitung in Kleinbetrieben unterdurchschnittlich
Allerdings erschwert eine strukturelle Besonderheit der Baubranche die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Die Bauwirtschaft ist durch einen hohen Anteil kleiner Betriebe gekennzeichnet, fast 85 % der Betriebe haben weniger als zehn Beschäftigte. Klein- und Kleinstbetriebe bieten ihren Beschäftigten jedoch weitaus seltener eine betriebliche Altersversorgung an. Während in Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern mindestens 44 % der Beschäftigten eine bAV vorweisen können, gilt dies nur für rund 28 % der Mitarbeiter in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten (4). Als Gründe für die geringe Umsetzung der bAV im Betrieb werden Zeitmangel, fehlendes Know-how und zu wenig Manpower genannt. Darüber hinaus wird die bAV tendenziell eher von Mitarbeitern mit längerer Betriebszugehörigkeit nachgefragt (5).
Arbeitgeber können aber durchaus Vorteile vom Angebot einer zusätzlichen Altersvorsorgelösung im Betrieb ziehen. Denn für jeden Euro, den Beschäftigte in der Bauwirtschaft für die BauRente umwandeln, sparen Unternehmen bis zu 50 % Lohnnebenkosten. Je höher der Arbeitnehmerbeitrag (bis maximal 4 % der Beitragsbemessungsgrenze), desto größer ist der Spareffekt für den Betrieb. Hinzu kommt: Wer seinen Mitarbeitern eine attraktive bAV anbieten kann, tut etwas für die Mitarbeiterbindung im Unternehmen und ist der Konkurrenz im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte einen Schritt voraus.
Politik setzt auf tarifliche Lösungen
Die gesetzliche Rente wird weiter sinken und die Durchdringung der bAV stagniert seit Jahren branchenübergreifend bei deutlich unter 60 %, wobei gerade die große Mehrheit der Beschäftigen mit unterdurchschnittlichem Einkommen über keine bAV verfügen. Abhilfe schaffen könnte etwa eine für jeden Arbeitnehmer verpflichtende bAV (Obligatorium) oder ein so genanntes Opting-Out-Modell, bei dem ein Teil des Einkommens automatisch zur Finanzierung einer bAV einbehalten wird und der Arbeitnehmer, sofern er dies nicht wünscht, aktiv widersprechen muss. Das zum 01.01.2018 in Kraft getretene Betriebsrentenstärkungsgesetz setzt weiter auf Freiwilligkeit und stärkt insbesondere die Möglichkeiten der Sozialpartner, Versorgungsmodelle auf tarifvertraglicher Basis zu gestalten. Die Bauwirtschaft hat mit tariflichen Lösungen seit vielen Jahrzehnten gute Erfahrungen gemacht und könnte damit Vorbild für andere Branchen sein.
Michael Delmhorst, Referent Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Torge Middendorf, Manager Volkswirtschaft/Öffentlichkeitsarbeit
13.12.2018
Anmerkungen
(1) Vgl. Deutsche Rentenversicherung (2018).
(2) Vgl. BMAS (2016), Alterssicherungsbericht 2016, S. 172.
(3) Vgl. Deutsche Rentenversicherung (2018), Ergebnisse auf einen Blick 2018. Männliche Neurentner aus Westdeutschland stellen aufgrund des geringen Frauenanteils in der Bauwirtschaft und aufgrund der Tatsache, dass die bis 2015 gültige Rentenbeihilfe nur in Westdeutschland galt, die geeignete Vergleichsgröße dar.
(4) Vgl. BMAS (2016), Alterssicherungsbericht 2016, S. 135.
(5) Ebenda, S. 133