Auszubildende bleiben ihrem Ausbildungsbetrieb länger treu
Auszubildende in der Bauwirtschaft bleiben ihren Ausbildungsbetrieben länger treu. Dies geht aus einer Analyse der Ausbildungsjahrgänge 2000, 2004 und 2008 hervor. Während nur noch rund 4 % der Auszubildenden des Ausbildungsjahrgangs 2000 fünf Jahre nach Ende ihrer Ausbildung beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt waren, waren dies immerhin rund 10 % des Ausbildungsjahrgangs 2008. Dennoch sollten die Betriebe daran arbeiten, ihre Auszubildenden zu halten, denn ein zunehmend größerer Teil der Ausbildungsbetriebe verliert seine Auszubildenden bereits direkt nach der Ausbildung.
Für Baubetriebe wird es zunehmend schwerer, geeignete Fachkräfte zu finden. So dauert es zunehmend länger, offene Stellen zu besetzen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) dauert es in den Bau- und Ausbauberufen bereits durchschnittlich 95 Tage, eine offene Stelle zu besetzen. Unter den Berufsbereichen nehmen die Bau- und Ausbauberufe damit bereits den fünften Platz ein. Mehreren Bauberufen – u. a. den Polieren und Maurern – attestiert die BA bereits regionale Engpässe und hat diese deshalb auf die sog. Positivliste aufgenommen, was die Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern ermöglicht.
Ähnliche Probleme ergeben sich bei offenen Ausbildungsstellen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Ausbildungsstellen im Baugewerbe im vergangenen Jahr um mehr als 4 % gestiegen (Bundesdurchschnitt: + 1,6 %) und auf jeden Bewerber kommen 1,3 Berufsausbildungsstellen, während der Ausbildungsmarkt im Bundesdurchschnitt nach wie vor unter einer leichten Unterversorgung mit Berufsausbildungsstellen leidet (0,95 Berufsausbildungsstellen pro Bewerber).
Umso drängender stellt sich die Frage, wie lange Bauauszubildende überhaupt ihrer Branche oder aber ihrem Ausbildungsbetrieb treu bleiben. Meldedaten von SOKA-BAU (1) erlauben es, Auszubildende nach dem Ende ihrer Ausbildung weiterzuverfolgen, wenn sie in der Baubranche verbleiben und weiterhin als Arbeitnehmer tätig sind. Diese Analyse wurde für die Ausbildungsjahrgänge 2000, 2004, 2008 und 2012 durchgeführt.
Es zeigt sich, dass es den Baubetrieben gelingt, die Auszubildenden zunehmend länger an sich zu binden. Während nur rund 5 % der Auszubildenden des Abschlussjahrgangs 2000 nach fünf Jahren (also im Jahr 2004) noch in ihrem Ausbildungsbetrieb beschäftigt waren, waren dies immerhin 6 % des Ausbildungsjahrgangs 2004. Auszubildende des Abschlussjahrgangs 2008 blieben sogar mit einem Anteil von rund 12 % auch noch fünf Jahre nach Ausbildungsende ihrem Ausbildungsbetrieb treu. Dieser Trend scheint sich auch für das Ausbildungsjahr 2012 fortzusetzen.
Anteil der Auszubildenden (nach Abschlussjahr), die nach x Jahren in der Bauwirtschaft arbeiten
Quelle: SOKA-BAU
Enttäuschend ist allerdings die steigende Zahl derjenigen Auszubildenden, die direkt nach der Ausbildung ihren Ausbildungsbetrieb verlassen. Wurde im Jahr 2000 immerhin noch rund die Hälfte der Auszubildenden direkt im Ausbildungsbetrieb weiterbeschäftigt, beträgt der Anteil in den Jahren 2004 und 2008 nur noch rund 43 %. Auszubildende des Jahrganges 2008 schließlich waren nur noch mit einem Anteil von 38 % direkt nach der Ausbildung bei ihrem Ausbildungsbetrieb beschäftigt.
Darüber hinaus lassen sich Aussagen bezüglich des Arbeitgeberwechsels treffen. (2) Auszubildende des Jahrgangs 2000 blieben zu 61 % direkt im Anschluss an das Ausbildungsende in einem Baubetrieb beschäftigt. Daraus folgt, dass rund 11 % den Arbeitgeber innerhalb der Baubranche gewechselt haben. In den Folgejahren schwankt der Anteil dieser Auszubildenden, die den Arbeitgeber wechseln, zwischen 7 % (2004) und 12 % (2008). Insgesamt ist diesbezüglich allerdings kein klarer Trend auszumachen.
Anteil der Auszubildenden (nach Abschlussjahr), die nach x Jahren in der Bauwirtschaft arbeiten
Quelle: SOKA-BAU
Für den Verbleib eines großen Teils der fertig ausgebildeten Fachkräfte gibt es grundsätzlich drei Erklärungsmöglichkeiten: der Zugang in die Arbeitslosigkeit, der Wechsel in einen Betrieb außerhalb der Bauwirtschaft (z. B. in einen Betrieb des Ausbaugewerbes) oder aber der Wechsel in die Selbstständigkeit. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit ist der Zugang von Auszubildenden aus dem Baugewerbe in die Arbeitslosigkeit im Trend rückläufig, lediglich im Krisenjahr 2008 war ein stärkerer Anstieg zu verzeichnen. Die Zahl der Baubetriebe ist dagegen im betrachteten Zeitraum nach Angaben aus dem Unternehmensregister des Statistischen Bundesamtes stetig gestiegen. Bis ins Jahr 2008 war zudem ein Anstieg der Solo-Selbstständigen zu verzeichnen und es ist davon auszugehen, dass sich Auszubildende, wenn sie sich direkt nach der Ausbildung selbstständig machen, dies erst einmal ohne Beschäftigte tun. Somit gibt es Hinweise, dass sich einige Auszubildende direkt nach ihrer Ausbildung selbstständig machen und dies zumindest zu den sinkenden Weiterbeschäftigungsraten beigetragen hat. Der Wechsel in Betriebe angrenzender Wirtschaftszweige, insbesondere des Ausbaugewerbes, kann mithilfe gängiger Statistiken zwar nicht belegt, aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Damit stellt sich heraus, dass es für die Bauwirtschaft nicht allein darum gehen kann, Auszubildende für die Branche zu gewinnen. Insbesondere müssen ausgelernte Fachkräfte in der Branche bzw. im Betrieb gehalten werden, um Erfolge im Kampf gegen den Fachkräftemangel zu erzielen. Ansatzpunkte dazu liefert eine von SOKA-BAU in Auftrag gegebene Studie zur Attraktivität der Baubranche, die von der Personalmarketingagentur Personalwerk sowie dem Marktforschungsunternehmen Nielsen durchgeführt wurde.
Die Befragung zeigt, dass es für die Unternehmen der Bauwirtschaft wichtig ist, die eigenen Stärken zu kommunizieren. Baufachkräfte schätzen insbesondere die abwechslungsreiche Arbeit, die Eigenständigkeit, den Kunden- und Teambezug sowie die Leistungsorientierung der Bauberufe. Die Baubetriebe sollten demnach aber auch kritisch hinterfragen, ob sie jungen Fachkräften in diesen Punkten ausreichend entgegenkommen. Fehlende Eigenständigkeit könnte z. B. genau dazu führen, dass sich Auszubildende nach dem Ende ihrer Ausbildung dazu entscheiden, sich selbstständig zu machen, statt im Ausbildungsbetrieb zu verbleiben.
Darüber hinaus stören sich die Baufachkräfte insbesondere an fehlenden Aufstiegschancen, was auch an der kleinen Größe vieler Baubetriebe und damit einhergehender flacher Hierarchie liegen dürfte. Ferner beklagen sich die Mitarbeiter der Bauwirtschaft über die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Bezahlung. Für die Bauunternehmen gilt es, an diesen Schwachstellen zu arbeiten und damit – da es sich um branchenspezifische Negativfaktoren handelt – branchenspezifische Wettbewerbsnachteile zu beheben. Überraschenderweise können sich nämlich über 50 % der Befragten einen Wechsel in eine andere Branche vorstellen. Vor allem sind für die Befragten der öffentlich-rechtliche Bereich, der Handel, die Immobilienbranche und das baunahe Gewerbe als Arbeitgeber interessant.
Optimistisch stimmt schließlich aber, dass die Baufachkräfte die aktuelle und zukünftige Arbeitsplatzsicherheit überwiegend als hoch oder sogar sehr hoch einschätzen. Dies könnte für die Fachkräfte im Moment ein wichtiges Argument sein, ihrer Branche treu zu bleiben.
Autoren:
Marcel Macherey
Dr. Torge Middendorf
Anmerkungen
(1) Die Unternehmen der Bauwirtschaft sind verpflichtet, monatlich die Bruttolohnsumme, die Arbeitsstunden und die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellten und Auszubildenden an SOKA-BAU zu melden. Die erfassten Betriebe unterscheiden sich dabei von der Definition des Baugewerbes des Statistischen Bundesamtes. Grundsätzlich sind alle Unternehmen beitrags- und damit meldepflichtig, in denen mehr als 50 % der Arbeitszeit auf in den Tarifverträgen genauer definierte Bautätigkeiten entfällt. Ein Vergleich der Unternehmens- und Beschäftigungszahlen mit denen des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass die Zahl der von SOKA-BAU erfassten Unternehmen die Zahl der Unternehmen des Baugewerbes nach WGZ 2008 unterschreitet, aber deutlich größer ist als die Zahl der Unternehmen des Bauhauptgewerbes (Hoch- und Tiefbau ohne Ausbaugewerbe).
(2) Da die Arbeitnehmer ab dem Beginn ihrer Ausbildung durchgehend mit der gleichen Arbeitnehmernummer geführt werden, kann so auch der Wechsel des Arbeitgebers verfolgt werden, sofern auch der neue Betrieb meldepflichtig ist.